London Spezial: Bermondsey, mittendrin und doch unbeachtet

Gleich hinter der Tower Bridge beginnt der Stadtteil Bermondsey, wo es noch originales Süd Londen Flair zu entdecken gibt.

An einem Sonntag im Frühjahr 2022 war ich bei einer Tour von Katie Wignall von Look Up London durch den Stadtteil Bermondsey dabei. Dieser gehört zum London Borough of Southwark, eine meiner Lieblingsgegenden in London. Es gibt eine einzige U-Bahn-Station gleichen Namens an der Jubilee Line, die hier südlich der Themse entlang führt und in einem relativ unscheinbaren Wohngebiet liegt. Ansonsten ist das Viertel geprägt von architektonisch nicht uninteressanten Wohnanlagen und der Eisenbahn, die es mehrgleisig auf dem Weg von der London Bridge nach Süden und Osten durchschneidet. Am südlichen Ende erschließt zudem eine Linie der London Overground den Stadtteil. Katie von Look Up London bietet unterschiedliche Touren zu spannenden und interessanten Themen in London an und berichtet dabei auf ihre unvergleichliche Art mit Leidenschaft über sehr viele witzige oder kuriose Begebenheiten.

Eine Stadtführung mit der wunderbaren Katie Wignall ist immer wieder ein Genuss. ©SCRITTI

Darüber habe ich in diesem Blog schon berichtet, zum Beispiel über ihre Alternative Christmas Lights Tour im Dezember 2021.

Reges Treiben an einem Sonntagmittag in der Bermondsey Street gleich hinter dem Bahnhof London Bridge. ©SCRITTI

Obwohl Bermondsey direkt hinter der Tower Bridge am südöstlichen Ufer der Themse liegt, finden doch sehr wenige Touristen den Weg in das Viertel. Gleich hinter dem Bahnhof London Bridge beginnt die Bermondsey Street, wo sich in teils ehemaligen Warehouses in den letzten Jahren zahlreiche kleine, noch inhabergeführte Läden, Cafés und Restaurants angesiedelt haben und sehr viele junge Leute unterwegs sind.

Die Bermondsey Street führt einen mitten in den Stadtteil hinein, und es macht wirklich Spaß, hier entlang zu schlendern und in den Läden nach interessanten Souvenirs zu stöbern. Man fühlt sich dabei ein bisschen an Camden Town oder Shoreditch erinnert, so wie man diese einst bunten und alternativen Viertel vor vielen Jahren noch erleben konnte. Eine ähnliche Atmosphäre herrscht am anderen Ende von Southwark beim Bahnhof Waterloo im Lower Marsh Market mit Street Food und Street Art im benachbarten Leake Street Tunnel.

Mitte des 19. Jahrhunderts waren Teile von Bermondsey, insbesondere entlang des Flusses, zu berüchtigten Slums geworden, in denen vom Land zugewanderte Arbeiter der neuen Industriewerke und Hafenanlagen wohnten. Charles Dickens beschrieb die Zustände in seinem Roman Oliver Twist. In der Gegend wurden später viele Industriebetriebe angesiedelt, die man für zu laut und zu schmutzig für die beengte Innenstadt von London hielt. Ein wichtiger Wirtschaftszweig war die Behandlung und der Handel mit Leder und Tierhäuten. Entlang der Themse fanden sich die üblichen Docks und Hafenanlagen.

Heute bietet Bermondsey noch viel des ursprünglichen Flairs von Süd-London, obwohl man natürlich auch hier die Gentrifizierung an vielen Ecken zu spüren bekommt. Die üblichen Neubauten mit schicken Wohnungen wachsen auf den wenigen Freiflächen empor. Doch dazwischen finden sich immer noch sehr viele Wohnblöcke und architektonische Highlights aus unterschiedlichen Epochen – eben die für London typischen „Council Houses“. Hotels gibt es bislang nur wenige im Viertel, ebenso wenig die üblichen Restaurant- oder Coffeeshop-Ketten. Dafür ganz banales Alltagsleben mit richtigen Menschen.

Idyllische Ecke mit Pub: Auch das ist Bermondsey. ©SCRITTI
Früher eine Fabrik zur Verarbeitung von Tierfellen aus „Alaska“, heute Apartments und Offices. ©SCRITTI

Ein Markenzeichen sind auch die imposanten Gebäude der früherer Alaska-Fabrik im Art déco-Stil von 1932, wo unter anderem Robbenfelle verarbeitet wurden.

Ein Curiosum ist auch Londons erster Passagierbahnhof in der Spa Road unter der großen Eisenbahnbrücke, der als Teil der London to Greenwich Railway 1836 eröffnet wurde, bevor die Strecke später bis zur London Bridge fertig gebaut wurde. 1915 wurde er schon wieder geschlossen.

Auf jeden Fall lohnt es sich, einmal einen Abstecher nach Bermondsey zu machen und noch originales Süd-Londen Flair zu entdecken.

Kleine Zeitreise: Leider sind die Routemaster Busse in London nur noch für Sonderfahrten im Einsatz, so auch für die Afternoon Tea Touren von Birgit’s Bakery in London, die auch durch Bermondsey führen. ©SCRITTI

Geführte Touren durch Bermondsey bietet Look Up London in der Regel sonntags an, Start ist um 11 Uhr am U-Bahnhof Bermondsey. Termine finden sich auf Katies Webseite.

© SCRITTI 2023, all rights reserved. Weiterverwertung nur nach Absprache mit dem Urheber.

Autor: scritti

Freier Journalist und Fotograf, Südwestdeutschland Fachmann für Verkehr, Bahn, Bus, Reisen

3 Kommentare zu „London Spezial: Bermondsey, mittendrin und doch unbeachtet“

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