Architektur-Erlebnis: Art Deco in London (Teil 2)

Im Londoner Stadtteil Ealing kann man auf Entdeckungstour nach ikonischen Art Deco Gebäuden aus den 1930er Jahren gehen.

London ist für jeden Architektur-Interessierten ein wahres Mekka mit Gebäuden, die teils um Jahrhunderte zurückreichen und heute immer noch in Teilen existieren. Die Kirche St Bartholomew-the-Great in Smithfield etwa gilt als älteste Gebetsstätte von London, die bis ins Jahr 1123 zurückreicht und auch heute noch Gebäudeteile aufweist, die hunderte von Jahre alt sind. Obwohl es auch in London während des „Blitz“ im Zweiten Weltkrieg starke Zerstörungen gab, haben doch sehr viele representative Gebäude vor allem aus den 1920er und 1930er Jahren bis heute überlebt. Besonders in den Vorstädten, in den „Suburbs“ lassen sich noch viele interessante Gebäude finden, die man heute rückblickend dem Stil des Art Deco zuordnet. Viele Vorstädte im Westen von London entstanden in jener Epoche zwischen den beiden Weltkriegen, als die Moderne das allgemeine Leben erfasste und den Menschen ganz neue Annehmlichkeiten des Lebens außerhalb der engen Innenstadt versprach.

Umfangreiche Erweiterungen der Piccadilly Line im Westen von London zu Beginn der 1930er Jahre sorgten mit für den Boom der Vorstädte wie hier in der Station Acton Town. ©SCRITTI

Dank schneller Eisenbahn- und U-Bahn-Verbindungen und preiswerter Immobilienfinanzierung ergaben sich so für Hunderttausende ganz neue Perspektiven. Der moderne Pendler und „Commuter“ war geboren. Besonders der dicht besiedelte Westen von London glänzt bis heute mit zahlreichen Art Deco Schätzen, die in der Boom-Zeit der 1930er Jahre entstanden. Das reicht von Kinos über Fabriken, Kaufhäuser, Apartmentblocks, Wohnhäuser und Verwaltungsgebäude bis zu Kirchen.

Das Hoover Building in Perivale an der Western Avenue Ausfallstraße von Mitte der 1930er Jahre wurde sorgfältig restauriert und war einst die britische Zentrale der gleichnamigen amerikanischen Staubsauger Marke. ©SCRITTI

Alleine im Stadtteil Ealing, der mit über 367.000 Einwohner*innen zum drittgrößten Bezirk (Borough) von Greater London zählt, kann man ganze Tage mit der Suche nach beeindruckenden Art Deco Gebäuden von London verbringen.

Ein Stadtspaziergang rund um den Bereich Ealing Broadway findet sich im Blog hier.

Ein Traum in Art Deco: Die ehemalige Hoover Fabrik in Perivale im Stadtteil Ealing. ©SCRITTI

Geradezu ikonisch ist in Ealing das Hoover Building der ehemaligen Hoover Factory, die unter Denkmalschutz steht, innen wie außen sorgfältig restauriert wurde und heute im hinteren Bereich einen Tesco Supermarkt sowie Apartments und Büros beherbergt. Das Hoover Building wurde von 1932 bis 1938 von den bekannten Art Deco Architekten Wallis, Gilbert and Partners gebaut und diente als UK Headquarter für die amerikanische The Hoover Company, die vor allem für ihre Hausgeräte wie Staubsauger und Waschmaschinen bekannt wurde.

Teil der Hoover Factory war auch die Hoover Kantine in unmittelbarer Nachbarschaft. Man fühlt sich beim Anblick des Gebäudes leicht nach Miami Beach versetzt. ©SCRITTI
Auf dem Gelände der Hoover Fabrik von Wallis, Gilbert and Partners befanden sich auch Büros und eben die Kantine, die heute von einem pakistanischen Restaurant genutzt wird, dessen Eingang sich auf der Rückseite befindet. Hoover hat die Anlage in den 1980ern verlassen, worauf sie viele Jahre leer stand. ©SCRITTI

Links von der Anlage der Hoover Fabrik befindet sich an der Straßenecke ein weiteres Schmuckstück, das zahlreiche Art Deco Merkmale aufweist und aktuell zum Verkauf steht. Leider braust vor dem Gebäude der Autoverkehr auf mehreren Spuren vorbei, so dass für eine glänzende Zukunft wenig Hoffnung besteht. ©SCRITTI

Daneben gibt es auch im Westen von London einige herausragende U-Bahn Stationen, die teils unter der Regie von Art Deco Architekt Charles Holden im Rahmen der Erweiterung des U-Bahn-Netzes in den 1930er Jahren errichtet wurden. Einen Übersichtsplan mit allen Londoner U-Bahn Stationen von Charles Holden gibt es bei The Londonist.

Ein Traum von einer U-Bahn Station: Park Royal Station von Herbert Welch and Felix Lander, 1936. ©SCRITTI
Zum Komplex der U-Bahn Station Park Royal gehören auch im oberen Bereich angrenzende Wohn- und Geschäftsgebäude mit Hotel gegenüber des Bahnhofs. ©SCRITTI
Angelehnt an die Architektur von Charles Holden, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg fertiggestellt: Das Stationsgebäude von Perivale. ©SCRITTI

Wenn man sich auf den Weg zum Hoover Building macht, das heute leider mehr oder weniger an einer Autobahn liegt, fährt man mit der U-Bahn (Central Line) bis zur Perivale Station und läuft dann noch etwa fünf Minuten. Das Stationsgebäude stammt vom australischen Architekt Brian Lewis und wurde bereits 1938 im Stile der Holden-Stationen entworfen, aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg 1947 fertiggestellt.

Vom früheren Kino Forum in Ealing hat leider nur noch die denkmalgeschützte Fassade überlebt, aber immerhin. Dahinter befinden sich heute Wohnungen. ©SCRITTI

Im Zentrum von Ealing am New Broadway findet sich noch eine grandiose Fassade eines ehemaligen Kinos im Stil der italienischen Renaissance, das Ealing Forum. Sie steht unter Denkmalschutz und wurde in einen Neubau mit Wohnungen und Apartments integriert. Im Erdgeschoss befindet sich mit Theatro Hall ein opulentes und stilistisch dazu passendes Restaurant mit Bar. Das Ealing Forum von Kino-Architekt Stanley Beard war das fünfte von den sechs großen Kinos, die einst in Ealing gebaut wurden, wurde im April 1934 mit 2.175 Sitzplätzen eröffnet. 2008 wurde das Kino geschlossen, und obwohl das gesamte Gebäude unter Denkmalschutz stand, hat nur die Fassade überlebt. Das einst versprochene neue Kino an gleicher Stelle lässt bis heute auf sich warten.

Direkt gegenüber vom Ealing Forum und links vom brutalistischen Neubau des Ealing Councils findet sich mit dem Longfield House ein weiterer großer Wohnblock im Art Deco Stil, der zur Straßenseite hin mit den gestaffelten Etagen ein bisschen wie das Heck eines Ozeandampfers anmutet. Die recht gewaltige Wohnanlage wurde 1936 von Ernest Schaufelberg gebaut, der bekannt für seine Theaterbauten ist wie das Adelphi und das Fortune.

Eine Übersicht mit Infos zu weiteren historischen Gebäuden in Ealing findet sich auf der Webseite des Ealing Councils.

Fortsetzung folgt…

Der erste Teil dieser Blog-Serie über Art Deco Gebäude in Großbritannien findet sich hier.

Lesetipp für weitere Recherchen:

Das kleine handliche Büchlein „A Guide to Modernism in Metroland“ von Joshua Abbott führt einen zu vielen architektonischen Schätzen im Großraum London. ©Joshua Abbott

Über die Webseite von Joshua Abbott Modernism in Metroland kann man einen kleinen, praktischen Führer erwerben, der einen zu den vielen Schätzen von Modernism in Metroland in den Vorstädten von London führt.

© SCRITTI 2023, all rights reserved. Weiterverwertung nur nach Absprache mit dem Urheber.

Autor: scritti

Freier Journalist und Fotograf, Südwestdeutschland Fachmann für Verkehr, Bahn, Bus, Reisen

3 Kommentare zu „Architektur-Erlebnis: Art Deco in London (Teil 2)“

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